Die Sammlung des Saalfelders Uwe Petzold, Jahrgang 1958, umfasst vor allem Korrespondenzen und Gedächtnisprotokolle aus den Jahren 1977 bis 1989. Hier befinden sich etwa Dokumente der Jahre 1977 bis 1978, die die Behinderung des beruflichen Werdegangs Petzolds umreißen. Petzold erhält nach seinem Abitur 1977 die Zulassung für ein Studium an der Technischen Hochschule Ilmenau im Studiengang Elektrotechnik für den Jahrgang 1978/1979. Voraussetzungen hierfür sind die Ableistung eines Vorpraktikums – welches Petzold im VEB Carl Zeiss Jena, Werk Saalfeld, absolviert – und die Ableistung des Wehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee (NVA). Da Petzold jedoch erklärt, den Wehrdienst als Bausoldat ableisten zu wollen, wird die Aufnahme des Studiums von staatlicher Seite verhindert, indem bis Studienbeginn keine Einberufung zum Wehrdienst als Bausoldat der NVA erfolgt. So schreibt Petzold 1978 schließlich zahlreiche Bewerbungen für eine Ausbildung zum Buchhändler – ohne Erfolg. Ende 1978 beginnt Petzold eine Erwachsenenqualifizierung zum Elektromechaniker in der Berufsschule des VEB Carl Zeiss Jena. In den Folgejahren arbeitet Petzold als Hilfsarbeiter, Elektromechaniker und von 1986 bis 1989 als Lagerleiter und Einkäufer in einer Einkaufs- und Liefergenossenschaft.
Petzold setzt sich von 1979 bis 1990 fortwährend kritisch mit dem repressiven SED-Staat auseinander. Dies belegen Eingaben an das Zentralkomitee der SED, an den Ministerrat der DDR, an verschiedene Bezirks- und Kreisämter der Deutschen Volkspolizei sowie an diverse Abteilungen von Bezirks-, Kreis- und Stadträten, komplettiert durch zugehörige Antwortschreiben und Ausspracheprotokolle. Auf diese Weise dokumentiert Petzold seine Reiseverbote zum Nationalen Jugendfestival der Freien Deutschen Jugend in Berlin (1979), zum Friedensforum Dresden (1982), seine vergeblichen Bemühungen um ein Visum für einen Urlaub in Bulgarien, Beschwerden gegen unzumutbare Öffnungszeiten, Wartezeiten und Platzreservierung in Gaststätten und gegen Limitierungen bei der Ausgabe von Lebensmitteln. Er fordert einen Fernsprechanschluss für seine Tätigkeit im Bereitschaftsdienst ein, beklagt Beschränkungen im kulturellen Leben wie beispielsweise bei der Filmauswahl der örtlichen Kinos oder die Ablehnung der Spielgenehmigung für die Saalfelder Band „Gefahrenzone“ durch die Einstufungskommission für Tanz- und Unterhaltungsmusik. In einer Eingabe an das Nationale Olympische Komitee der DDR spricht sich Petzold gegen die Teilnahme der DDR an den Olympischen Spielen in Südkorea 1988 wegen der dortigen innenpolitischen Missstände und der Verhaftung von Oppositionellen aus.
Die Fotosammlung Petzolds gibt mit Fotografien zu Reisen und Tramptouren aus dem Umfeld der Offenen Arbeit der kirchlichen Jugendarbeit Saalfeld/Rudolstadt Einblick in die Jugendkultur der 1970/1980er Jahre.
Picciani, Peter [Kähler](Privatsammlung)
Laufzeit: 1981 - 1988
Bezugsorte: Jena
Umfang: 1 lfm.; Fotosammlung
Signatur: P-PP
Die Sammlung des 1957 in Hagenow geborenen Peter Kähler beinhaltet persönliche Überlieferungen aus der subkulturellen Jenaer Künstler- und Oppositionsszene ab 1981 bis zu Kählers Ausweisung aus der DDR in die Bundesrepublik im Mai 1983 und deren Auswirkungen.
Kähler beginnt 1976/77, unter dem Eindruck gewaltsamer Erlebnisse während seines Wehrdienstes als Matrose der Grenzbrigade Küste, mit dem Schreiben politischer Lieder. Da seine Tätigkeit im VEB Carl-Zeiss-Jena auch die Mitarbeit an militärischen Geheimobjekten einschließt, kündigt er 1981, besetzt eine Wohnung in der Goetheallee in Jena, knüpft Kontakte zur künstlerischen Alternativszene und bestreitet als Liedermacher erste Auftritte zu öffentlichen Veranstaltungen sowie in Privatwohnungen. Bei öffentlichen Konzerten, wie 1981 zum Jugendkonzert auf der Kunitzburg bei Jena und am 16. Oktober 1982 im „Liederzirkus“ des Königswalder Friedensseminars, begleitet ihn zum Teil Klaus Langmann. Ein Konzert in der besetzten Wohnung in der Goetheallee Jena wird 1982 – als bereits mit einer Verhaftung Kählers gerechnet wird – professionell für die illegale Verbreitung der Lieder aufgezeichnet, vermutlich von Lutz Rathenow nach Berlin gebracht und an den Sender RIAS übergeben, der die Lieder nach der Verhaftung Kählers 1983 sendet. Ton-Mitschnitte vom Konzert des Friedensseminars Königswalde und dem Konzert in Kählers Wohnung sind überliefert. Das Studioband des RIAS Berlin enthält unter anderem politische Lieder, wie „Das jüngste Gericht“, „Moral des Krieges“, „Im Namen des Volkes“ und „Winterlied – oder – Das Frühlingslied eines aus der Haft entlassenen“. Fotografien aus dem Jahr 1982 zeigen den Liedermacher in seiner Wohnung in der Goetheallee Jena, eine bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmte Grafik von Kähler mit einem gekreuzigtem Karl Marx sowie Impressionen aus dem Umfeld des Konzertes zum Friedensseminar Königswalde und dem Jugendkonzert auf der Kunitzburg bei Jena. Eine weitere Fotoreihe bildet das Kreativfest Jenaer Künstler auf dem Gelände der Friedenskirche in Jena 1982 – mit Frank Rub, Lutz Leibner und anderen – ab.
1982 werden zudem Kählers Kontakte zur Jungen Gemeinde Stadtmitte Jena enger, die Freundeskreise wachsen zusammen und im Herbst 1982 wird zu Treffen an diversen Küchentischen die Bildung und Zielstellung einer Jenaer Friedensgemeinschaft diskutiert. Im Januar 1983 wird Kähler nach einem öffentlichen Auftritt im Jenaer Volkshaus unter dem Tatvorwurf der staatsfeindliche Hetze verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt Gera gebracht. Die Korrespondenz aus der Haftzeit belegt die gescheiterte Bemühung Kählers um eine Verteidigung durch Wolfgang Schnur. Unter dem Druck der Androhung von 10 Jahren Haft stellt Kähler in der Untersuchungshaft einen Ausreiseantrag und wird am 23. März 1983 überraschend aus der Haft entlassen. Nach der Teilnahme an der Demonstration der Friedensgemeinschaft Jena anlässlich des Pfingsttreffens der FDJ am 19. Mai 1983 erfolgt innerhalb von 24 Stunden die Ausweisung Kählers und anderer Mitglieder der Jenaer Friedensgemeinschaft in die Bundesrepublik. Die Sammlung enthält Fotos von einem Treffen der Jenaer Peter Kähler, Gerd Rost und Roland Jahn mit den Berlinern Lutz Rathenow und Sascha Anderson vom März 1983 zur Diskussion der Perspektive der Oppositionsbewegung in der DDR, Aufnahmen vom Übergangsheim für Dissidenten im Grunewald und von Konzertproben Kählers (Gitarre) mit Stephan Zigan (Cello) nach der Ausweisung aus der DDR. Weitere Bilder zeigen Peter Kähler mit Dorothea und Gerd Rost bei einem Besuch des Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden aus Anlass eines Interviews zur Friedensgemeinschaft Jena.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR legt 1984 den Operativen Vorgang „Weinberg“ an. Die Kopien aus Kählers persönlicher BStU-Akteneinsicht geben Auskunft über seine Rückverbindungen in die DDR, Einreisesperre sowie Lageberichte der „Aktion Gegenschlag“ des MfS zur Zerschlagung der Jenaer Friedensgemeinschaft.
Pietzsch, Henning(Privatsammlung)
Laufzeit: 1982 - 2000
Bezugsorte: Jena
Signatur: P-PH
Die Sammlung von Henning Pietzsch (Jg. 1962) dokumentiert mit zahlreichen Konzepten, Referaten, Informationszetteln, Notizen, Korrespondenzen und Fotografien im Kern die Offene Arbeit (OA) der Jungen Gemeinde (JG) Stadtmitte Jena der Jahre 1982 bis 1986.
Seit seinem sechzehnten Lebensjahr ist Pietzsch Besucher der JG und engagiert sich nach Beendigung seines Wehrdienstes im Oktober 1982 aktiv in dessen Vorbereitungskreis. Umfangreiche Arbeitsmaterialien aus der Vorbereitung der Themenabende bilden inhaltliche Auseinandersetzungen der JG etwa zu Fragen der Selbstfindung junger Erwachsener, zur individuellen Positionierung innerhalb der Gesellschaft, zu Friedenserziehung und Formen des Friedensengagements sowie die Hinterfragung des Verhältnisses zwischen Kirche und SED-Staat ab. Auch Materialien aus der Vorbereitung von Gottesdiensten wie vom Friedensgottesdienst aus Anlass des Bundestagsbeschlusses zur Raketenstationierung 1983, von Festen wie dem “Edel-Ekel-Fasching“ 1984, oder Werkstätten wie im Jahr der Jugend 1985 unter dem Motto „Ach haben wirs reichlich“ spiegeln zentrale Inhalte der OA der JG wieder. Daneben enthält die Sammlung Dokumente aus Pietzschs Mitgliedschaft im Taufkreis (1983) und der Spielgruppe der JG (1985). Pietzschs Protokoll vom Treffen der OA/Sozialdiakonischen Jugendarbeit in Hirschluch (1984) beinhalten konzeptionelle und organisatorische Fragen der OA in Thüringen.
Die umfangreiche Fotosammlung bildet Veranstaltungen und Aktionen der JG Stadtmitte Jena wie Ausflüge, Werkstätten oder etwa das Open-Air-Frühstück (1986) ab und vermittelt zudem ein Bild der Hauptakteure sowie jugendlicher Subkultur um die Mitte der 1980er Jahre.
1987 stellt Pietzsch einen Ausreiseantrag. Der kleine Koffer, den Pietzsch bei seiner Ausreise in die Bundesrepublik (Berlin-West) im Februar 1988 mit sich führt, wird heute im Archiv aufbewahrt.
Einen Rückblick auf die OA/JG Jena und Umfeld geben die von ehemaligen Akteuren ausgefüllten Fragebögen aus Pietzschs Forschungsprojekt „Opposition und Widerstand in der ehemaligen DDR am regionalen Beispiel der kirchlichen Jugendarbeit ‚Offene Arbeit‘ Jena 1970 – 1989.“ (2000).
Pretzsch, Jürgen(Privatsammlung)
Laufzeit: 1989 - 1994
Bezugsorte: Erfurt
Umfang: 0,3 lfm.
Signatur: P-PJ
Materialien aus dem Nachlass des Erfurter Grafikers aus dessen Mitwirkung im Erfurter Bürgerrat für Umweltschutz und der Arbeitsgruppe Umwelt im Neuen Forum Erfurt, November 1989 bis 1994.