Imagefilm über das ThürAZ

Aufgabe

Das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk” (ThürAZ) wurde 1991 zunächst unter dem Namen Matthias-Domaschk-Archiv Jena gegründet. Träger war und ist der Verein Künstler für Andere e.V., der aus der gleichnamigen Jenaer Gruppe der DDR-Opposition hervorgegangen ist. Die Gründung des Archivs stand in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der breiten gesellschaftlichen Debatte um die Funktion und Wirkung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Es diente zunächst der Aufbewahrung der Materialien der Repression in der SED-Diktatur, so etwa von Kopien der Akten des MfS.

Spätestens ab Mitte der 90er Jahre erfolgte ein Funktionswandel in der Arbeit des Archivs, im Mittelpunkt der Sammlungstätigkeit des ThürAZ standen und stehen seit diesem Zeitpunkt die Überlieferungen der Opposition und des Widerstandes selbst, dabei handelt es sich in der Regel um Egodokumente (s.a. Bestandsprofil).

Aktuelles

Umzug des ThürAZ

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschieden wir uns zum Ende des Jahres aus unseren Räumen am Camsdorfer Ufer 17 in Jena-Ost. 

Ende Dezember 2024 zieht das ThürAZ in die Dornburger Straße 143 in Jena-Nord. Wir freuen uns auf größere Räume, die mehr Platz bieten für unsere Archivalien und Veranstaltungen. 

Wegen des Umzugs bleibt das ThürAZ vom 9.12.2024 bis voraussichtlich 28.2.2025 geschlossen.

Wir bitten um Verständnis und sind ab März 2025 am neuen Standort erreichbar - dann sogar mit Straßenbahn-Haltestelle "An der Eule" direkt vor der Tür! 

Besuch des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die LINKE) im ThürAZ

Am Montag, dem 17. Juni 2024 - einem historisch relevanten Datum mit Blick auf den Volksaufstand des 17. Juni 1953 in der DDR - besuchte der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow das ThürAZ. Der Besuch fand im Rahmen seiner Sommertour unter dem Motto #einzigartigvielfältig statt. 

Nach einer Führung durch die Räume des Archivs warf der Ministerpräsident einen Blick in Selbstzeugnisse von Akteur:innen aus Opposition und Widerstand in der DDR, die exemplarisch das Sammlungsprofil des ThürAZ verdeutlichten.

Im Anschluss hatten wir im lockeren Gespräch Gelegenheit, unser Zukunftskonzept für das ThürAZ inklusive Raum- und Personalbedarf vorzustellen. 

Nachruf von Andreas Ilse auf ein Gründungsmitglied des ThürAZ und seines Trägervereins: Petra Grund

Sofia 1980, vor der Botschaft der DDR, quatschte ich zwei Trampende in Jesuslatschen an. Beide kamen aus Jena und hatten noch kein Quartier. Für den Abend luden wir, eine Gruppe von Trampern aus Halle und Berlin, sie ein. Unsere bulgarischen Freunde hatten uns ein schönes Plätzchen an einem See nahe der Stadt gezeigt. Hier campten und feierten wir. So lernte ich Petra (noch mit ihrem Mädchennamen Möhl) und ihren damaligen Freund Bernd kennen. Danach trampten wir noch gemeinsam ins Rilagebirge, besuchten das weltberühmte Kloster und wanderten mehrere Tage auf Eselspfaden.

Es war nicht absehbar, dass daraus eine 44-jährige Freundschaft und ein gemeinsames Engagement bei „Künstler für Andere“ werden sollte. Nur 44 Jahre, denn Petra Grund ist am Morgen des 23. Mai 2024, viel zu früh und für alle unerwartet, verstorben. Nach einer geplanten Operation in der Bad Berkaer Zentralklinik ist sie nicht wieder aufgewacht. Als ich dies erfuhr, liefen mir nur noch die Tränen. Nur wenige Tage zuvor hatte sie noch ihren 64. Geburtstag bei ihrem Sohn Konrad und ihrem ehemaligen Mann „Kaktus“ im Hof gefeiert.   

Petra gründete mit anderen im Herbst 1986 die Gruppe „Künstler für Andere“ und lud mich zu ersten Überlegungen ein. Anfänglich trafen sich Petra, Martina Arndt, Carsten Hahn, ihr Mann „Kaktus“ Thomas Grund, Henning Pietzsch und ich, diskutierten und planten erste Schritte, sprachen DDR-kritische Musiker*innen, Literaten, Schauspieler*innen und andere Künstler*innen an, um eine monatliche Veranstaltungsreihe anbieten zu können. Wir wollten, dass die bleierne Stille durchbrochen wird, dass Künstler*innen, die auf Grund ihrer DDR-kritischen Sichtweisen kaum Gehör fanden, auftreten können, wollten Ideen und Projekte bekannt machen und für diese Spenden sammeln, denen ein Podium bieten, die nicht dem politischen DDR-Mainstream folgten. So unterstützten wir u. a. eine Kommune in Hartroda, wo Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam lebten. Wir unterstützten die Umwelt-Bibliothek Berlin oder die Arbeit des DDR-weiten INKOTA-Netzwerkes, die wiederum Projekte in Entwicklungsländern förderten. Petra besuchte unsere Projektpartner*innen und fragte, wo und wie Unterstützung aussehen könne. Wir bauten Banner, stellten Plakate her, kümmerten uns um kirchliche Räume für diese Events, vervielfältigten Samisdat-Schriften für den „Büchertisch“, organisierten kostenfreie Quartiere für die Künstler – denn diese traten ohne Gage auf und erhielten nur die Fahrtkosten, wir konnten keine Hotelunterkünfte anbieten. Nach den Veranstaltungen wurde häufig bei Petra und Kaktus weitergefeiert, wo auch manche der Gäste schliefen. Wir trafen uns aber auch zur Vor- und Nachbereitung in der Wohnung von Petra und Kaktus.

Petra ist doppelte Mitgründerin von Künstler für Andere. Im September 1990 wurde unsere Aktionsgruppe, welche inzwischen auch in Halle aktiv war, als Verein angemeldet und wir wurden zum wiederholten Mal Gründungsmitglieder. Ab 1991 wurde im Verein das Matthias Domaschk-Archiv integriert. Hier sollte nicht nur die Geschichte des in Gera in Stasihaft zu Tode gekommenen Oppositionellen Matthias Domaschk aufgearbeitet werden, sondern die Widerstands- und Oppositionsgeschichte in der SBZ und DDR, insbesondere im Thüringer Raum, dokumentiert werden.

Petra, die eine Ausbildung zur Sekretärin absolviert und etliche Jahre an einer DDR-Schule gearbeitet hatte, besuchte Ende der achtziger Jahre den kirchlichen Fernunterricht am Burckhardthaus in Potsdam, um später in einer Kirchgemeinde im gemeindepädagogischen Bereich mitarbeiten zu können. Ihre Kenntnisse der kirchlichen Strukturen konnte sie in die Veröffentlichung „Die Andere Geschichte. Kirche und MfS in Thüringen“ einbringen.

Petra, die nach 1991 im kirchlichen Dienst stand, half im Hintergrund und unterstützte die Arbeit des Vereins mit ihrer Art: Dasein, wenn praktische Hilfe von Nöten war, bei Umzügen, Vereinstreffen und Veranstaltungen, Petra war da, wenn Konflikte unsere Arbeit zu behindern drohten. 

Später absolvierte sie eine Zusatzqualifikation im theaterpädagogischen Bereich. Durch ihr Interesse am Theater beteiligte sie sich auch an einer „theatralen Demonstration“ von Nina Gühlsttorff und Dorothea Schroeder des Theaterhaus Jena, „Der dritte Weg“. Zwanzig Jahre nach der Friedlichen Revolution wagte man sich auf die Spuren von 1989. Ein Gang durch Jena führte die Besucher*innen entlang historischer Orte ins Theater, wo man einer Staatsgründung beiwohnen konnte, die sich nicht als nostalgischer, sondern als utopischer Akt verstand. Hintergrund war die Friedliche Revolution von 1989 und was sich daraus jenseits von Sozialismus und Kapitalismus hätte entwickeln können.

Petra kümmerte sich beruflich im Kreiskirchenamt, später in der evangelischen Kirchgemeinde Lobeda um Zahlen und Finanzen. Diese Aufgabe übernahm sie zeitweise auch im Verein Künstler für Andere, wo sie mehrere Jahre im Vorstand mitarbeitete. Auch später, als Petra nicht mehr im Vorstand war, unterstützte sie die Arbeit des Vereines und war da, wenn sie gebraucht wurde. Sie war gut vernetzt mit Engagierten aus anderen Gruppen und Zusammenhängen in und außerhalb von Jena und konnte durch die Bereitstellung dieser Kompetenzen immer unterstützen.

Wir verlieren mit ihr nicht nur eine unserer Gründer*innen, sondern auch eine engagierte und kritische Mitgestalterin der Arbeit im Verein und im Archiv, eine Freundin, die da war, wenn es dem Verein oder seinen Mitarbeitenden schlecht ging und die sah, wo Hilfe benötigt wurde.

Wir trauern um sie und wissen uns in dieser Trauer verbunden mit ihren Kindern und Enkeln, ihren Angehörigen und den vielen Freunden. Petra, Du wirst uns fehlen! 

Binz, 28.5.2024 

Andreas Ilse als Vorstandsmitglied des Künstler für Andere e. V.

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