Archivbestand (Auswahl)
Dokumentation des 1939 geborenen Baldur Haase zu den Gründen seiner politischen Haft von Januar 1959 bis April 1961. Hintergrund ist die Begegnung von Haase mit dem Duisburger Rainer Marggraf beim 1. Kongress der Arbeiterjugend Deutschlands zu Ostern 1958 in Erfurt und ein sich daraus entwickelter Briefwechsel und Büchertausch. Dieser steht von Beginn an unter der Postkontrolle der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Gera. Als Marggraf an Haase den Roman „1984“ von George Orwell schickt, fordert das MfS ein Gutachten beim Deutschen Institut für Zeitgeschichte an. Dieses stuft „1984“ als „staatsgefährdend“ und „Hetzmaterial“ ein. So wurde es Hauptgegenstand der Verurteilung, ebenso wie die in der Sammlung enthaltenen Briefe von Haase und Marggraf aus dem Jahr 1958 und Drucksachen des Wandervogel Deutscher Bund, Frankfurt/Main 1957 bis 1958. Darunter befinden sich auch Materialien von Marggraf von dessen Teilnahme mit dem Wandervogel Deutscher Bund am 2. Treffen der Deutschen Jugend in Meißen 1956 und am 2. Deutschen Turn- und Sportfest in Leipzig 1956, sowie Materialien von Haase von dessen Teilnahme am 1. Kongresses der Arbeiterjugend Deutschlands Ostern 1958 in Erfurt.
Eulenspiegelverlag: Eulenspiegel. Zeitschrift für Satire und Humor, Berlin 1958 bis 1986.
Bezirkskabinett für Kulturarbeit Gera: Treffpunkt Klub, Gera 1962 bis 1989.
Fotosammlung mit Bildnissen von Baldur Haase von 1959 bis 1961; Ansichten der Justizvollzugsanstalt Waldheim von 1945 bis 2002, der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt (U-Haft) des MfS Gera und der Bezirksverwaltung des MfS Gera von 1990 bis 1999, sowie Fotos von der Protestaktion gegen den Abriss der MfS-Untersuchungshaftanstalt Gera im Jahr 1999.
Forschungsunterlagen und Werkmanuskripte von Baldur Haase aus der Aufarbeitung der SED-Diktatur, vor allem zum Thema „Der Einfluss des MfS auf Bereiche der Kultur und Kunst - insbesondere auf die Freizeitkultur, das ‚kulturelle und künstlerische Volksschaffen‘, Klubs, Kulturhäuser, Jugendarbeit - im ehemaligen Bezirk Gera“, 1994 bis 2009.
Carsten Hahn, Jahrgang 1960, gehört von seinem 17. Lebensjahr bis zu seiner Ausreise im Jahr 1987 zum aktiven Kreis der Jungen Gemeinde (JG) Stadtmitte Jena, in den Jahren 1982/1983 zum Hauskreis von Dorothea Rost sowie zur 1983 aus dem Hauskreis hervorgehenden Jenaer Friedensgemeinschaft (FG). Im Jahr 1986 ist Hahn Gründungsmitglied der Gruppe Künstler für Andere. So umfasst die Sammlung Belege aus Hahns Engagement in der unabhängigen Friedensbewegung, in der kirchlichen Friedensarbeit und in der Offenen Jugendarbeit (OA) der Evangelischen Kirche aus den Jahren 1982 bis 1987.
Den Schwerpunkt der Sammlung bilden Konzepte, Referate und Gedächtnisprotokolle aus dem Friedensengagement des Hauskreises von Dorothea Rost und dem der Jenaer FG (1982 bis 1983). Sie geben Aufschluss über Motivation, Inhalte und Formen ihres aktiven Pazifismus. Des Weiteren befindet sich hier eine Sammlung von Texten, die zu dieser Zeit im Umfeld von Hahn vervielfältigt und diskutiert werden. Autoren sind beispielsweise Clara Zetkin, Dietrich Bonhoeffer, Rosa Luxemburg, Erich Kästner oder Bettina Wegner.
Die Fotosammlung im Bestand Hahn bildet vor allem die Demonstrationen der FG Jena aus Anlass des 38. Jahrestages der Bombardierung Jenas im Zweiten Weltkrieg im März 1983 und aus Anlass des Pfingsttreffens der Freien Deutschen Jugend (FDJ) im Mai 1983 ab. Weiterhin in der Fotosammlung enthaltenen sind Mailartkarten und fotografische Vervielfältigungen von Erklärungen, Beschwerden, Plakaten, Transparenten, sogar von vollständigen Büchern wie „Die Alternative“ von Rudolf Bahro oder „Pappkameraden“ von Jürgen Fuchs.
Offene Briefe und Eingaben von März bis Juni 1983 an den Staatsrat der DDR, den Zentralrat der FDJ, den Friedensrat der DDR, den Thüringer Landesbischof, die Redaktion von „Glaube und Heimat“ und an verschiedene Intellektuelle der DDR dokumentieren den Versuch Hahns, die Repressionsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit gegen Mitglieder der JG und der FG öffentlich zu machen.
Arbeitsmaterialien aus der sozialdiakonischen Jugendarbeit und der kirchlichen Friedens- und Umweltarbeit der 1980er Jahre umfassen vor allem Konzepte der OA Berlin, Informationsmaterialien des Seminars Konkret für den Frieden und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR mit den Schwerpunktthemen Friedenserziehung, Wehrdienstverweigerung, Abrüstung und atomare Bedrohung.
Ebenfalls überliefert sind „INKOTA-Briefe“ aus den Jahren 1986 bis 1991, die über Solidaritätsprojekte in der Zweidrittelwelt informieren. Ein Großteil der Benefiz-Veranstaltungen, welche die Jenaer Gruppe Künstler für Andere in den Jahren 1987 bis 1989 unter dem Dach der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Jena organisieren, fließen in Projekte des ökumenischen INKOTA-Netzwerkes.
Der Nachlass des 1961 geborenen Klaus Harloff beinhaltet im Kern Dokumente zur Friedlichen Revolution 1989/1990 in Berlin-Ost. So verarbeitet Harloff in einem Bericht das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten am 40. Jahrestag der DDR und seine eigene Verhaftung auf der Schönhauser Allee. Aus Flugblättern, handschriftlichen Notizen und Protokollen geht Harloffs Mitarbeit im Neuen Forum Berlin-Weißensee, AG Recht und Staat hervor, sowie seine Beteiligung am Versuch der Sicherung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der Hauptzentrale Magdalenenstraße im Dezember 1989. 1990 wird Harloff Geschäftsführer der Gesellschaft für die Erneuerung des Bürgerrechts. Hier sind Gründungspapier, Notizen und Mitteilungsblätter erhalten.
Auch zahlreiche Gründungspapiere, Flugblätter, Satzungen, Erklärungen, Wahlprogramme anderer Initiativen und Parteien der Berliner Region 1989/1990 wie der Berliner Initiative für unabhängige Gewerkschaften, der Initiative für Frieden und Menschenrechte, von Demokratie Jetzt, der Initiative Vereinigte Linke in der DDR, der CDU, der PDS, der SDP, von Bündnis 90, der Radikalen Linken und der NDPD sind im Bestand enthalten.
Daneben sind Flugblätter zu Aktionen und Kundgebungen überliefert, wie zur Fürbitte „China im Juni 1989“, zur Mahnwache vor der rumänischen Botschaft (Dezember 1989), zum Kontakttelefon Kriegsdienstverweigerung (1990) oder zum Hungerstreik wegen des Umgangs mit den MfS-Akten. Auch enthalten sind Zeitschriften und Informationsblätter der Alternativ- und Hausbesetzerszene Berlins der frühen 1990er Jahre, wie das Heft „Hausbesetzer. Selbstdarstellung von 16 Projekten aus Friedrichshain Mitte und Prenzlauer Berg“ (1990).
Die im Bestand enthaltene Artikelsammlung aus der Berliner Zeitung umfasst Berichte zur Friedliche Revolution 1989/1990 sowie erste Aufklärungsberichte zum MfS, zur SED und zur Rolle der Kirche in der DDR.
Für die Jahre 1990 bis 1992 sind Informationsblätter kommunistischer Gruppen in der Bundesrepublik wie des Internationalen Schutzbundes gegen staatlichen Missbrauch, des Informationsdienstes für direkte Demokratie, der Trotzkistischen Liga Deutschlands und der Marxistischen Gruppe enthalten. In diesem Kontext stehen auch Abschriften zu Prozessunterlagen seines Vaters – des Rechtsanwaltes Pfannenschwarz aus Frankfurt/Main – zu politischen Berufsverboten in der Bundesrepublik, welche zum Teil auch in Veröffentlichungen des Initiativausschusses für die Aufhebung des KPD-Verbotes 1971 abgedruckt sind.
Materialien aus dem Nachlass von Harloffs Bruder, dem Berliner Liedermacher und Autor „Kalle“ Karl Ulrich Winkler, bilden einen Sonderbestand in der Sammlung Harloff. Als Winkler im Jahr 1976 zum 28. Jahrestag der DDR auf dem Berliner Alexanderplatz mit Texten von Wolf Biermann und Bettina Wegner auftritt, wird er verhaftet und zur Zusammenarbeit mit dem MfS gedrängt, die er ein Jahr später beendet. 1980 folgt eine weitere Verhaftung nach einem Auftritt bei einer der Berliner Bluesmessen und 1981 die Haftentlassung in die Bundesrepublik. So enthält die Sammlung aus dem Nachlass Winklers unter anderem eine handschriftliche Textsammlung mit Liedern von Biermann und Wegner, einen Brief von „Kalle“ an Harloff aus der Haft zum bevorstehenden Freikauf in die Bundesrepublik (März 1981), eine Vollmacht an Winkler vom November 1989 zum Ankauf von demontierten Mauerbrocken mit Gemälden des Auftraggebers (November 1989) oder Winklers Text „Aktenjagd in Ost-Berlin“ (Dezember 1989).
Auszüge aus der Akteneinsicht von Harloff belegen die Beobachtung seiner Kontakte zum in die Bundesrepublik ausgereisten Bruder durch das MfS im Operativen Vorgang „Sänger“. Der Nachlass enthält weiterhin persönliche Urkunden von Harloff und Winkler sowie Geschäftsunterlagen und Fotos der Initiative Solarhaus und der HSS Solar Haus Systeme GmbH (1990 bis 1998).
Die Sammlung von Gisela Hartmann (geb. Brick, Jg. 1939) bildet ein breites Spektrum ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten in Kirchen-, Umwelt- und Friedensgruppen in den 1970er und 1980er Jahren bis hin zu hauptamtlichen umweltpolitischen Ämtern in den 1990er Jahren in der Region Nordhausen ab.
Als Mitglied der Synode der Kirchenprovinz Sachsen wird Hartmann 1972 in die Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU) berufen, der sie bis 1995 angehört. Ihre Arbeitsmaterialien wie Vorlagen, Synodalbeschlüsse, Korrespondenzen und Notizen aus der synodalen Tätigkeit beinhalten vorrangig theologische und kirchenpolitische Themenkreise, aber auch Diskussionen um Fragen der Friedensverantwortung der Kirchen im Hinblick auf das nukleare Abschreckungssystem im Ost-West-Konflikt oder etwa die Unterstützung von Ausreiseantragstellern (1976 bis 1994).
Ab Ende der 1970er Jahre engagiert sich Hartmann im Rahmen der pädagogischen Gemeindearbeit und in ihrem Ökumenischen Hausfriedenskreis für kirchliche Friedensarbeit. Auch wird sie Mitglied im Hauptausschuss des Kirchentages in Thüringen. Als 1988 die Arbeit des DDR-weiten Netzwerkes Konkret für den Frieden in den Ökumenischen Versammlungen (ÖV) im Konziliaren Prozess der Kirchen fortgeführt wird, setzt sich Hartmann – als Leiterin der Arbeitsgruppe Energie für die Zukunft – für eine Wende in der Energiepolitik der DDR ein. Die Sammlung enthält Informations- und Arbeitsmaterialien, Notizen, Protokolle und Korrespondenzen aus der kirchliche Friedensarbeit von 1978 bis 1990, vor allem aber von den Seminaren Frieden Konkret (1986 bis 1988), der Vorbereitung und der Mitarbeit an der ÖV in der DDR (1987 bis 1989) sowie Materialien der Europäischen ÖV in Basel 1989 und einen Arbeitsordner aus der Vorbereitungsgruppe des Ökumenischen Luftseminars zum Erfurter Kirchentag 1988.
Mit dem Anliegen der Veröffentlichung von Umweltdaten tritt Hartmann 1981 der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz in der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) des Kulturbundes bei. Nachdem dieses Vorhaben in der GNU scheitert, gründet sie 1983 das Kirchliche Umweltseminar Nordhausen. Korrespondenzen, Protokolle, Fotografien, Mailart und Notizen zu den Gottesdiensten und Seminaren zur Umwelterziehung und Umweltberatung sowie zu lokalen Umweltaktionen wie Basaren und Pflanzaktionen geben Aufschluss über die Vielfalt des Umweltseminars. Von der zugehörigen Umweltbibliothek sind vereinzelt Dokumente enthalten (1989/90). Umfangreich vertreten sind indes Druckschriften, kirchliche Schriftenreihen und Samisdat der 1980er Jahre. Hier befinden sich Publikationen des Kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg, der Arbeitsgruppe Umweltschutz beim Jugendpfarramt Leipzig, der Umweltbibliothek Berlin, des Friedenskreises Friedrichsfelde, des Radix-Verlages Berlin, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (1985 bis 1992), der Theologischen Studienabteilung (1982 bis 1990) oder Greenpeace (1983 bis 1990). In den Jahren 1988 bis 1990 fördert Hartmann als Vorsitzende des Gemeindekirchenrates St. Blasii in Nordhausen den Umbau des abrissreifen Küsterhauses zum Cafe Konzil, wo die Arbeit des Kirchlichen Umweltseminars in den 1990er Jahren fortgesetzt wird. Fotografien, Korrespondenzen, Sitzungsprotokolle, Notizen und Geschäftsunterlagen dokumentieren dessen Umbauten und Finanzierungsprobleme (1989) aber auch die Regionalkonferenz Harz (1990) oder das Projekt Hilfe für Kinder aus Tschernobyl (1992).
Am 24. Oktober 1989 ist Hartmann in der Frauenbergkirche an der Gründung des Neuen Forum (NF) Nordhausen und nachfolgend an den Demonstrationen und Kundgebungen im Herbst 1989 beteiligt. Notizen, Korrespondenzen, Protokolle, Aufrufe und Programme dokumentieren Ausschnitte der Ereignisse der Friedlichen Revolution in Nordhausen. 1990 gründet Hartmann den Grünen Tisch Nordhausen, da der seit November 1989 regelmäßig tagende Runde Tisch Nordhausen thematisch überlastet ist. Protokolle und Korrespondenzen vom Grünen Tisch Nordhausen sind von März bis Juli 1990 erhalten. Nach den Kommunalwahlen 1990 wird Hartmann Fachbereichsleiterin der Abteilung Umweltschutz im Landratsamt Nordhausen und setzt hier – auch durch die frühe Mitwirkung am lokalen entwicklungs- und umweltpolitischen Aktionsprogramm Agenda 21 – Impulse für die regionale Umweltarbeit der Region. Zur Kommunalwahl 1994 ist Hartmann Landratskandidatin der Bürgerbewegung Neues Forum. Auch hier sind Arbeitsunterlagen (1990 bis 1998) überliefert.
Unterlagen aus dem Nachlass des Theologen, Erziehungswissenschaftlers und CDU-Politikers zu den Themenkreisen Schule und Bildungswesen in der DDR von 1972 bis 1989, Umgang mit Ausreiseantragstellenden, Zustandsbeschreibungen der DDR, Reformierung des Bildungswesens und politische Transformationsprozesse in Jena ab 1989.
Samisdat zu Umweltthemen, Berlin 1987 bis 1989.
Material- und Fotosammlung von: Umweltbüro Jena, Umwelttage, Umweltbibliothek, Café Immergrün, Interessengemeinschaft (IG) Stadtökologie, Jena 1989 bis 1992.
Fotosammlung Café Immergrün und Grünes Haus, Jena 1998.
Materialien vom Friedenskreis Jena von 1982 bis 1989, wie Hoffmanns gestaltete Plakate zum Thema Frieden und Abrüstung für den Schaukasten der Friedenskirche Jena von 1982 bis 1985; Schriftgut und selbstgestaltete Aufnäher; Fotografien und Theaterstück vom Friedens-Theaterspielkreis Jena um 1984.
Schriftgut, Fotografie, Grafik und Tonmaterial aus der Organisation und Durchführung der Jenaer Hofvernissagen von 1986 bis 1989.
Künstlerkorrespondenz zur Veranstaltungsreihe „Hoffnung aus Nicaragua – Hoffnung für Nicaragua“ Jena von 1986 bis 1990; Druckstock für die Plakate der Kunstauktionen vor 1986.
Schriftgut der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) Berlin 1989.
Politischer und künstlerischer Samisdat von 1983 bis 1989.
Schriftgut, Fotografien und Tondokumente von der Gründungsphase, dem Aufbau und dem Wahlkampf der SDP/SPD 1989/90 in Berlin und Jena: persönliche Briefe und Postkarten von Manfred „Ibrahim“ Böhme an Hoffmann von 1987 bis 1990; Dienstausweis Hoffmanns für den SDP-Vorstand; Korrespondenz mit dem Arbeitgeber zur Freistellung für politische Arbeit im SDP-Vorstand vom 5.12.1989; Terminkalender 1989 und 1990; Fotografie von Hoffmann vom SDP-Gründungsaufruf am 15.10.1989 in der Jenaer Stadtkirche sowie Farbfotografien vom SDP-Wahlkampf 1990 (Böhme, Willy Brandt, Johannes Rau); Redeskripte vom Parteitag im Februar 1990 in Leipzig sowie Briefentwürfe Böhmes an die SPD-Fraktion der Volkskammer der DDR zur Niederlegung seines Mandates im März 1990.
Unterlagen zur Gründung des Vereins für politische Bildung & soziale Demokratie Berlin 1990.
Michael Horschig (Jg. 1961) ist Sänger und Texter der Berliner Punkband Namenlos und politischer Anarcho-Punker in den 1980er Jahren in der DDR. So bilden den Kern der Sammlung Materialien der Anfang 1983 gegründeten Punkband. In einer handschriftlichen Chronik beschreibt Horschig das Selbstverständnis der Band wie folgt: „Mit unseren Texten griffen wir die gesamte Breite der Gesellschaft, des Staates und der Institutionen an.“. Die handschriftliche Liedtextsammlung umfasst neben „Nazis wieder in Ostberlin“ Titel wie „DDR-Staatsgrenze“, „Gleichschritt“, „MfS“, „SED“ und „Amok“ aber auch Titel die sich mit dem Alltag in der DDR befassen. Im Sommer 1983 werden die Bandmitglieder wegen der Auftritte bei kirchlichen Jugendveranstaltungen in Halle, in Karl-Marx-Stadt und bei einer Blues-Messe der Erlöser-Gemeinde in Berlin-Rummelsburg wegen „gemeinschaftlicher öffentlicher Herabwürdigung“ verhaftet und Horschig zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt. Neben Anklageschrift, Urteil und Beschluss zur vorzeitigen Haftentlassung Horschigs ist auch ein handschriftlicher Tagesablauf im Frauengefängnis Hoheneck dokumentiert. Die Band Namenlos bestand nach Haftabbüßung noch bis 1987/88 in verschiedenen Besetzungen. Ein im Bestand als Korrekturabzug enthaltener Aufsatz von Torsten Preuß „Stasi, Spaß und E-Gitarren: Geschichte der Berliner Punkband Namenlos“ – 1999 in Galenza/Havemeister „Wir wollen immer artig sein…“ veröffentlicht – gibt zusätzliche Einblicke in die Bandgeschichte.
Daneben ist die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gegen Horschig und die Band anhand von BStU-Auszügen aus der Strafakte Horschigs, aus dem Operativen Vorgang „Namenlos“ (1983 bis 1984) und aus der Operativen Personenkontrolle „Schwarz“ (1987 bis 1988) belegt. Weitere MfS-Dokumente sind die „Hinweise zur politisch-operativen Bearbeitung von Erscheinungsformen gesellschaftswidrigen Auftretens und Verhaltens negativ-dekadenter Jugendlicher, besonders sogenannter Punker, innerhalb der DDR.“ oder Operativinformationen zur Bluesmesse 1983.
Horschig beschäftigt sich seit Anfang der 1980er mit der Theorie, Geschichte und Kritik des Anarchismus und verteilt anarchistische Flugblätter wie „Die Un/freie Gesellschaft“. Die Sammlung enthält Abschriften und Nachdrucke von Auszügen libertärer und anarchistischer Texte von Erich Mühsam, G. B. Shaw, Pierre-Joseph Proudhon und Murray Bookchin, einen 1977 in Berlin entstandenen Ormigdruck der „Anarchosprüche“ von Karl Hans Frank (Hg.), Samisdat der Kirche von Unten (KvU) Berlin aber auch handschriftliche Ausarbeitungen Horschigs zu den Themen anarchistische Gesellschaft und Geschichte der Punkbewegung. Vom Herbst 1989 sind unter anderem Flugblätter der „Freien Aktion“ enthalten, die deren Selbstverständnis darlegen oder etwa zur Teilnahme an den Montagsdemonstrationen und den Mahnwachen für die Freilassung politisch Inhaftierter in der Gethsemanekirche aufrufen.
Die Theologin Dorothea Höck, Jahrgang 1957, engagiert sich mit Beginn ihres Studiums in Naumburg bei Aktion Sühnezeichen (AS) und beteiligt sich an der entstehenden kirchlichen Friedensbewegung. Die Sammlung enthält aus der zweiten Hälfte der 1970er Jahre vor allem Informationsmaterialien des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) und der Christlichen Friedenskonferenz in der DDR zur Einführung des Wehrkundeunterrichts im Jahr 1978 sowie Korrespondenzen zu Eingaben wegen der Einführung des Unterrichtsfaches Sozialistische Wehrerziehung. Aber auch die von AS herausgegebene gekürzte Fassung von Josef Bor „Die Propheten und ihr Gott“ (1978), Materialien der kirchlichen Friedensarbeit vom Naumburger Friedenskreis wie die Erklärung „Abrüstung von Unten“ oder eine handschriftliche Abschrift des Berliner Appells „Frieden schaffen ohne Waffen“ von Rainer Eppelmann (1982) zur Sammlung von Unterschriften sind überliefert.
Als Mitbegründerin des DDR-weiten oppositionellen Netzwerkes Arbeitskreis Solidarische Kirche (AKSK) engagiert sich Höck seit 1985 für kirchenreformerische Fragen und eine demokratische Öffnung der DDR-Gesellschaft. Protokolle, Erklärungen, Aufrufe, Konzepte, Vorträge, Programme, Beschlussvorlagen, Korrespondenzen und Notizen aus den Jahren 1985 bis 1993 bezeugen ihre Tätigkeit im Koordinierungsausschuss des AKSK Berlin. 1988 beginnt der AKSK mit der Durchführung von Sommer- und Winterakademien. Als Mitorganisatorin gibt Höck im Juni 1988, zusammen mit Ludwig Mehlhorn, den Samisdat „Raster. Strukturen von Macht, Herrschaft und Gewalt“, Reihe Radix-Blätter Nr. 7, heraus. Dieses enthält neben einer Dokumentation antitotalitärer Texte auch eine Auseinandersetzung mit der Philosophie Hannah Arendts. Außerdem vom AKSK enthalten sind etwa ein Essay von Freya Klier für die AKSK-Vollversammlung 1987, Materialien von AKSK Regionalgruppen, das Informationsblatt Solidarische Kirche des AKSK Leipzig ab der ersten Ausgabe (1988) und die gemeinsam vom AKSK Rostock und der Initiative für Frieden und Menschenrechte (IFM) herausgegebene Dokumentation „Betrug und/oder Recht“ zur Kommunalwahl in Rostock 1989.
Im Jahr 1987 beteiligt sich Höck als Vertreterin des AKSK an der Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung (IAPPA), welche zunächst die Synode der Evangelischen (Ev.) Kirche in Berlin-Brandenburg, dann die Synode des BEK auffordert, gegen Abgrenzung nach Ost und West sowie innerhalb der Gesellschaft, für demokratische Mitbestimmung und für einen gesellschaftlichen Dialog einzutreten. Diese Tätigkeit der Jahre 1987 bis 1988 ist mit Protokollen, Arbeitstexten, Notizen, Korrespondenzen sowie dem Samisdat des Friedenskreises der Berliner Bartholomäusgemeinde „Weil alle Abgrenzung…“ (Radix, 1988) und „Aufrisse. Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“ des Radix-Verlages Berlin (1987-1988) dokumentiert. In den „Aufrissen“ tritt Höck als Mitunterzeichnerin des Briefes an die Gemeinden „Neues Handeln“ bzw. mit einem Aufsatz in Erscheinung.
Ein Reisebericht von Torsten Metelka (1982), der Samisdat „Ostkreuz“ von Poppe, Weißhuhn, Grimm, Dalos, Dietrich u.a. (1989), ein Bericht von Amnesty International zu Menschenrechtsverletzungen in Rumänien (1990) ein Appell der Gewerkschaft Libertatea an die Nachfolgekonferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu Flucht, politischer Haft und Lebensalltag in Rumänien (u.a. Herta Müller) und weiteres Informationsmaterial öffnen den Blick nach Rumänien. Als Mitorganisatorin der Sommerakademie des Vereins für politische Bildung und soziale Demokratie in Erfurt unterschreibt Höck 1990 eine Protesterklärung, die sich gegen die gewaltsame Auflösung der Demonstration auf dem Bukarester Universitätsplatz im Juni 1990 richtet und sich für die Freilassung der Inhaftierten ausspricht.
Die Sammlung enthält weiterhin die „Zeugnisse der Betroffenheit im Wortlaut“ von der ersten Ökumenischen Vollversammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR (ÖV) in Dresden 1988 – wie etwa den Bericht von Frauen für den Frieden Dresden oder den Bericht von Stephan Schack/Arbeitskreis Wehrdienstfragen Jena. Arbeitsmaterialien und Sitzungsprotokolle von Höck aus der Vorbereitung eines Seminars zur ÖV im April 1991 in Erfurt befinden sich ebenfalls in der Sammlung.
Im Herbst 1989 gehört Höck zu den InitiatorInnen der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt (DJ), die ihre Wurzeln in der IAPPA hat. Entstehung und Arbeitsweise von DJ beleuchten drei Arbeitshefter aus dem Zeitraum 1989 bis 1993 mit Statut, Protokollen, Erklärungen, Aufrufen, Programmen, Eingaben, Korrespondenzen, Pressemitteilungen, Werbematerialien, handschriftlichen Mitschriften, Zeitungsartikeln und Materialien vom Bündnis 2000.
Ein weiterer Arbeitshefter enthält Rundverfügungen und Synodalbeschlüsse der Kirchenprovinz Sachsen aus den Jahren 1991 bis 1992 zur Aufarbeitung des Verhältnisses der Kirche zum Ministerium für Staatssicherheit.
Neben den bereits angeführten oppositionellen Schriften umfasst die Sammlung weiteren Samisdat zu Friedens-, Umwelt-, Menschenrechts- und Bürgerrechtsfragen in der DDR. Hier sind vertreten: „Wohnsinn“ und „Oder“ der Reihe Radix-Blätter (1987), „Grenzfall“ (1987) und „Fußnote 3“ (1988) der IFM, „Friedensnetz“ der Arbeitsgruppe Frieden der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburg (1987), „Schnellinfo“ vom Basisgruppentreffen Berlin-Brandenburg sowie „Aktuell“ und „Wendezeit“ der Berliner Samaritergemeinde (1987), „Kontext“ der Berliner Bekenntnisgemeinde (1988-1990), „Arche Info“ des Grün-Ökologischen Netzwerkes Arche Berlin (1989), „Wahlfall 89“ der Berliner Koordinierungsgruppe Wahlen (1989), „Umweltblätter“ der Umweltbibliothek Berlin (1989), „Gedächtnisprotokolle. Tage und Nächte nach dem 7. Oktober 1989. Berlin“ des Berliner Stadtjugendpfarramtes (1989).
Eine Zeitungsartikelsammlung mit Schwerpunkt auf den Jahren 1986 bis 1992 betrachtet die Themen: Außen- und Weltpolitik, DDR-Politik, Kirche und Staat, Literatur und Kunst, Lokalpolitik Erfurt sowie spezifische Themen der Friedlichen Revolution und Aufarbeitung der Jahre 1989 bis 1992.