Archivbestand (Auswahl)
Die Sammlung von Cornelia Bartlau steht für bürgerschaftliches Umweltengagement in der DDR. Den Kern der Sammlung bilden Notizen, Sitzungsprotokolle, Konzepte, Korrespondenz, Eingaben, Flugblätter, Rundbriefe (Till Noack), Pressespiegel und Zeitschrift der Interessengemeinschaft (IG) Stadtökologie Jena aus den Jahren 1989 bis 1994. Im Jahr 1989 angesiedelt bei der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) im Kulturbund der DDR, existiert die IG seit 1990 als eingetragener Verein. Die Arbeits- und Informationsmaterialien der IG-Gruppen Müll und Umwelterziehung, in denen sich Bartlau engagiert, enthalten zahlreiche Quellen zur Eröffnung der Umweltbibliothek im Grünen Haus e.V. (1990), zu den Weltumwelttagen in Jena, zur Tagung Deponiewirtschaft in der DDR (1990), zur Unterschriftensammlung gegen Müllimporte und zu zahlreichen Aktionstagen z.B. zum Bau von Spielplätzen. Erweitert wird der Einblick in grüne Kommunalpolitik durch Einladungen, Korrespondenzen und Flugblätter aus Kontakten der IG zur Grünen Liste Jena und der Partei Die Grünen von 1989 bis 1991. Zudem sind Materialien des ökologischen Netzwerkes Grüne Liga enthalten (1989-1992), ebenso wie umweltpolitisches Samisdat aus dem Jahr 1989 mit den „Umweltblättern“ und dem „Telegraph“ des Friedens- und Umweltkreises der Zionskirchgemeinde Berlin, der „Arche“ aus Berlin-Brandenburg und dem „Friedrichsfelder Feuermelder“ des Friedenskreises Friedrichsfelde.
Eine Sammlung der Wochenendbeilage der Thüringischen Landeszeitung „Treff“ (1989 bis 1990) enthält Schwerpunktthemen der Friedlichen Revolution 1989/1990 und der Wiedervereinigung.
Neben den Archivalien zum Thema Umwelt und Ökologie gewährt der Vorlass von Bartlau auch Einblicke in den Lebensalltag in der DDR. Materialien einer Jenaer Hausgemeinschaft (Am Planetarium 49; 1952 bis 1988) umfassen Hausbuch, Korrespondenz mit der Gebäudewirtschaft, Protokolle von Hausgemeinschaftssitzungen und Mängelanzeigen von Mietern. Aber etwa auch Korrespondenzen um die Kündigung von Bartlau als Leiterin des Zirkels Schreibende Schüler oder um die Eingliederung dieses Zirkels im Haus der Pioniere aus dem Jahr 1980 sind überliefert.
Die Sammlung des 1962 in Eisenach geborenen Ralf-Uwe Beck belegt vor allem mit einer herausragend vielfältigen und umfangreichen Eingabekorrespondenz Möglichkeiten und Grenzen von Bürgerprotest und Umweltengagement in der DDR in den 1980er Jahren.
Seit Beginn der Volljährigkeit nutzt Beck die 1961 in der DDR gesetzlich verankerte Möglichkeit des Protestes gegen staatliche Missstände und Entscheidungen. 1980 schreibt er seine erste Eingabe an den Rat der Stadt Eisenach zur Verschmutzung des Flusses Hörsel. Im „Internationalen Jahr der Behinderten“ der UNO 1981 folgen Leserbriefe an Verlage zur Vernachlässigung der Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen in das gesellschaftliche Leben. 1982 wendet sich Beck beispielsweise mit einer Eingabe an den Rat der Stadt Eisenach gegen die Kosten der Aufstellung des „Denkmals zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ in der Wartburgallee, im Außengelände der „Gedenkstätte Eisenacher Parteitag 1869“.
1982 lässt sich Beck taufen und nimmt ein Theologiestudium in Jena auf. Die Eingaben und Beschwerden der Jahre 1983 und 1984 beziehen sich auf Alltagsbelange, wie die Diskriminierung durch Gaststättenpersonal aufgrund von Kleidung, aber auch auf die Beobachtung von faschistoiden Äußerungen von Schülern während einer Theaterveranstaltung in Eisenach. Eine chronologische Aufzeichnung der Gespräche Becks mit dem Jenaer Wohnungsamt dokumentiert die vergebliche Wohnungssuche in Jena bis hin zum gebilligten Schwarzeinzug.
1985 gründet Beck mit dem Jenaer Stadtjugendpfarrer Ulrich Kasparick eine freie Umweltgruppe, die in den Jahren 1985 und 1986 zahlreiche Eingaben an die Abteilung Umweltschutz beim Rat der Stadt Jena richtet. Sie befassen sich etwa mit der Luftverschmutzung in der Innenstadt als Auslöser von Pseudokrupp bei Kleinkindern, protestieren gegen ungenehmigtes Fällen von Bäumen und fordern Container für Plastikabfälle. Auch ein 19 Punkte umfassender Fragenkatalog, gerichtet an den Jenaer Stadtrat für Umweltschutz, ist in den Eingaben enthalten. Selbst Eingaben gegen Polizeibeamte an die Beschwerdestelle der Volkspolizei scheut Beck nicht.
Mit Beginn seines Vikariats in Pferdsdorf 1987 wird Beck im Arbeitskreis (AK) Umweltschutz der Kirchgemeinde Eisenach leitend aktiv. Auch hier ist eine rege Eingabekorrespondenz von ihm und anderen Mitglieder überliefert. In Eingaben an die Abteilung Umweltschutz des Rates der Stadt Eisenach aus dem Jahr 1987 richten sie sich gegen die Lärmbelästigung durch im Leerlauf stehende Lokomotiven in Wohnortnähe, gegen die Lagerung von Giftfässern auf der Rennbahn Eisenach, fordern fleischarme Ernährung in Betriebsküchen und Kindereinrichtungen, die Aufstellung von Fahrradständern und vieles mehr. Ein Brief an den AK Umweltschutz Nordhausen dokumentiert eine Eingabe-"Kampagne" zur besseren Versorgung mit Fahrradersatzteilen. Die Ev.-Luth. Superintendentur und die Abteilung Inneres des Rates der Stadt Eisenach veranlasst die rege Eingabetätigkeit des AK Umweltschutz bereits 1987 zu einer Aussprache mit Beck, wie dessen Niederschrift belegt. Eingaben aus dem Jahr 1988 kritisieren Entsorgungsmängel auf Mülldeponien, Mängel beim Emissionsschutz Volkseigener Betriebe (VEB), FCKW-haltige Sprays, die stattliche Informationspolitik bei Umweltschutzdaten, aber auch kulturelle Einschränkungen wie die Streichung der sowjetischen Zeitschrift Sputnik von der Postzeitungsliste. 1989 stehen Eingaben im Zusammenhang mit Mülldeponien im Vordergrund. Durchgängig finden sich über die Jahre zahlreiche Eingaben zu Versorgungsmängeln.
Weitere Unterlagen vom AK Umweltschutz Eisenach betreffen die seit 1986 durchgeführten Eisenacher Umwelttage, das zweite hessisch-thüringische Umweltgespräch im April 1989 in Creuzburg/DDR und den Protest gegen die Hessen Rallye in Thüringen 1990. Eine kleine Fotosammlung gibt Einblicke in illegale Müllablagerungen auf der Deponie Mihla, die Eisenacher Umwelttage 1989 und die Demonstration gegen die Hessen Rallye 1990.
Ab 1987 setzt sich Beck zudem für die Anstellung eines kirchlichen Umweltbeauftragten ein und wird 1989 erster Beauftragter der Thüringer Landeskirche für Umweltarbeit. Eine entsprechende Eingabe des AK Umweltschutz an die Thüringer Landessynode vom 8.2.1988 ist ebenso erhalten wie Informationsfragen an verschiedene kirchliche Umweltbeauftragte in der Bundesrepublik. Im Juli und nochmals im September 1989 bittet Beck das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Berlin um die Genehmigung seiner Aufnahme in den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). 1990 gründet er den BUND Thüringen mit.
Im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Umweltbibliothek in Eisenach stehen die in der Sammlung enthaltenen Drucksachen des Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg, Samisdat wie „Streiflichter“ der Arbeitsgruppe Umweltschutz des Jugendpfarramtes Leipzig, thematische Materialsammlungen zu Müllimporten, Energie/ Kernenergie und Luftverschmutzung sowie Aufrufe und Programme der Bürgerinitiativen und neuen Parteien 1989. Aus dieser Zeit stammen auch kirchliche Stellungnahmen zum politischen Engagement von Mitarbeitenden und zur politischen Nutzung kirchlicher Räume, beispielsweise vom Landeskirchenamt Thüringen.
Bereits im Sommer 1990 fordert Beck bei der Staatsanwaltschaft Erfurt die persönliche Einsicht in die Unterlagen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Die Operative Personenkontrolle (OPK) „Einsatz“ zur Zersetzung des AK Umweltschutz Eisenach ab 1986 ist in der Sammlung enthalten, ebenso der im April 1989 wegen ungesetzlicher Verbindungsaufnahme und öffentlicher Herabwürdigung der staatlichen Ordnung gegen Beck eröffnete Operative Vorgang (OV) "Vikar“.
Aufrufe der Kirche und der Bürgerbewegungen und Parteien im Herbst/Winter 1989.
Material vom Runden Tisch Suhl und dem Kreistag Meiningen 1990.
Material aus der Organisation des ersten Point Alpha Ostermarsches 1990.
Dokumentation der Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit im Bezirk Suhl im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Meiningen 1989/90.
Rechercheunterlagen zur Geschichte des Gesprächskreis für Frieden und Ökologie der Kirchgemeinde Meiningen, genannt Montagskreis.
Die Sammlung des Theologen Gunnar Berndsen steht exemplarisch für die Übernahme gesellschaftspolitischer Verantwortung von Christen in der Bundesrepublik der 1970er und 1980er Jahre. Zentrale Bereiche seines Engagements sind der Einsatz für direkte Demokratie, Bildungspolitik, Umweltpolitik, Friedens- und Menschenrechte sowie gegen die Apartheid in Südafrika.
Berndsen wird 1956 geboren, beginnt 1974 ein Theologiestudium in Hamburg und studiert später in Tübingen. Eine Sammlung Flugblätter „SZ-Info“ des Sozialistischen Zentrums Tübingen aus dem Jahr 1976 spiegelt die hochschulpolitische Beschäftigung mit den Themen Sozialismus, realer Sozialismus, Antimilitarismus, Abrüstung, Bürgerinitiativen, Frauenbewegung, Hochschulpolitik, Berufsverbote, Biermann-Ausbürgerung aus der DDR u.v.m. wieder. Aus der Zeit von 1977 bis 1990 sind Dokumentationen, Diskussionspapiere, Unterrichtshilfen sowie Zeitschriften im Bestand enthalten, die sich mit den Themen Zionismus, Rechtsextremismus, Neofaschismus in Tübingen und der gesamten Bundesrepublik auseinandersetzen.
Als Berndsen nach dem Studium nach Marburg geht, engagiert er sich in der dortigen Kommunalpolitik. Im Bestand sind die Landesprogramme der „Grünen“ in Hessen sowie die Bundesprogramme der „Grünen“ für die Jahre 1983 bis 1987 sowie weitere Informationsmaterialien zu den Themen Bildungspolitik, Ökologie, Atomausstieg und Tschernobyl dokumentiert.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre unterrichtet Berndsen evangelische Religion an der Augustinerschule in Friedberg. In dieser Zeit engagiert er sich stark für die Reformierung des Schulwesens in Hessen. Überliefert sind aus dieser Zeit unter anderem Materialien des Stadtelternbeirates Frankfurt/Main und Rundschreiben des Hessischen Kultusministers.
Berndsens Interesse und Einsatz zum Thema Kirche und Apartheid in Südafrika ist in einer umfangreichen Sammlung mit Zeitschriften, Broschüren und Rundbriefen aus den Jahren 1978 bis 1990 sowie seinem Arbeitshefter zum Schultheaterprojekt der Augustinerschule Friedberg gegen Apartheid in Südafrika „Aparthical“ im Schuljahr 1989/90 überliefert.
Im Mai 1990 verfasst Berndsen, gemeinsam mit der Pfarrerin Renate Ellmenreich, einen Aufruf zur Gründung der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt im Westen (DJ). In der Gründungserklärung vom 16.06.1990 heißt es „ Sie versteht sich als Schwesterorganisation der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt in der DDR. Sie nimmt die Anliegen und Erfahrungen der dortigen Demokratiebewegung auf und setzt sich für die Bereicherung unserer parlamentarischen Demokratie durch Möglichkeiten direkter Bürgerbeteilung ein.“. Der Bestand enthält das Arbeitsmaterial der DJ-Gründungsmitglieder Berndsen und Ellmenreich in Frankfurt/Main aus den Jahren 1990/1991 mit Gründungserklärung, Aufrufen, Positionspapieren, Beitrittserklärungen und Korrespondenz sowie mit Sitzungsprotokollen, Informationsblättern und Korrespondenz von DJ Berlin 1990.
Offizielle Flugblätter zum Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Jena.
Materialien aus der gemeinsamen Lehrzeit mit Matthias "Matz" Domaschk an der Betriebsschule des VEB Carl Zeiss Jena von 1974 bis 1977 wie der Schülerzeitung der Klasse F2/2 1976.
Fotografien vom Sommerurlaub mit Matthias Domasck 1974.
Quellen
Heinz Bächer, Jahrgang 1957, tritt im Alter von zwanzig Jahren den waffenlosen Wehrdienst in den Baueinheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) an. Ab dieser Zeit ist sein aktives Friedensengagement mit Korrespondenz sowie Arbeits- und Informationsmaterial überliefert. Aus den Jahren 1977 bis 1981 datieren Briefe, Informationen und Berichte von Bausoldaten aus Prora/Rügen, in denen Reflexionen, Aufrufe und Situationsbeschreibungen zu finden sind. In Eingaben positioniert sich Bächer gegen zunehmende Verschlechterungen in der Dienststelle Prora und gegen die Einführung des Wehrkundeunterrichts an den Schulen der DDR. Eine Sammlung von Gesetzblättern zur Wehrdienstthematik aus den Jahren 1962 bis 1982 ist als Arbeitshilfe zur Erkenntnis der Problematik enthalten. In diesem Kontext stehen auch die Texte der Initiative Sozialer Friedensdienst (SoFD) aus dem Jahr 1981, Texte der Arbeitsgruppe Abrüstung der Gossner Mission aus den Jahren 1977 bis 1981 sowie theoretische Konzepte zur Gewaltlosigkeit (1955 bis 1979).
1979 beginnt Bächer ein Theologiestudium in Leipzig und engagiert sich für Frieden- und Menschenrechtsfragen. Erhalten sind aus den Jahren 1982 bis 1988 Reader, Seminarmaterialien und Vorlagen zu den jährlichen Friedensdekaden, Arbeitshefter zu den Friedensseminaren Königswalde und Meißen der Jahre 1981 bis 1983 sowie ein Arbeitsordner aus seiner Tätigkeit im Leitungskreis der AG Friedensdienst beim Stadtjugendpfarramt Leipzig mit Konzepten, Texten, Postkarten und Fotos von der Gründung der Gruppe im Jahr 1982 bis zum Jahr 1985. Die Position des Bundes der Evangelischen (Ev.) Kirchen in der DDR (BEK) ist anhand von Synodaltexten aus den Jahren 1981 bis 1988 und durch Ausgaben der Schriftenreihe „Informationen und Texte“ der Theologischen Studienabteilung der Jahre 1982 bis 1985 dokumentiert. Vereinzelt befinden sich in der Sammlung auch Materialien ev. Friedensarbeit aus der Zeit vor Bächers Studium, wie der Reader zum Erfurter Kirchentag 1978 „Es geht ums leben“ oder auch Schriften der katholischen Friedensarbeit wie die „Stellungnahme zum Friedenszeugnis der Kirche“ des katholischen Aktionskreises Halle (AKH) aus dem Jahr 1982.
Dass Bächers Friedensengagement durch den Staatssicherheitsdienst der DDR beobachtet wird, verdeutlicht ein Gedächtnisprotokoll Bächers zu einer Befragung beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu einem Gottesdienst unter dem Thema Abrüstung und Friedensdienst in der Michaeliskirche Leipzig im März 1982. In diesem Zusammenhang stehen auch Dokumente aus dem Jahr 1983 zu einem Einbruch in die Privatwohnung Bächers.
Doch auch in gesellschaftspolitischen Fragen und Alltagsfragen wird Bächer aktiv. In Eingaben aus den Jahren 1977 bis 1989 an zahlreiche staatliche und kirchliche Institutionen klagt er offen gegen Reisebeschränkungen in die VR Bulgarien und VR Polen, gegen die Zuspitzung des Verhältnisses der DDR zu Polen im Jahr 1981, gegen die Pressezensur christlich geprägter Todesanzeigen, gegen Störungen des Fernsprechanschlusses und andere Missstände. Die Eingaben sind in der Sammlung zum Teil mitsamt Einlieferungsscheinen und Antwortschreiben überliefert.
Die Sammlung des Saalfelder Jugenddiakons Ulrich Bär enthält im Kern Dokumente seiner Eingabetätigkeit aus den 1980er Jahren, gerichtet an den Ministerrat der DDR, an das Ministerium für Volksbildung, das Wehrkreiskommando der Nationalen Volksarmee (NVA) Saalfeld, das Zentralkomitee der SED, den Thüringer Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen (Ev.-Luth.) Kirche Werner Leich und andere Adressaten.
In den Jahren 1976 bis 1980, nach seiner Zeit im Wehrdienst der NVA, beginnt Bär eine Ausbildung als Jugenddiakon im Johannes-Falk-Haus Eisenach. Aus dieser Zeit stammt eine erste Eingabe an den Ministerrat der DDR wegen der Einführung des Wehrkundeunterrichts 1978. Es folgen in der Zeit 1981 bis 1982 seine Erklärung der Verweigerung des Reservistendienst mit der Waffe, verbunden mit der Bereitschaft zum Bausoldatendienst, Forderungen zur Einführung eines Sozialen Friedensdienstes in der DDR und Eingaben zu Abrüstungsfragen.
Ab September 1980 als Jugenddiakon der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Saalfeld angestellt, bezeugen Schriftwechsel, Eingaben und Gedächtnisprotokolle aus den Jahren 1981 bis 1983 seinen Einsatz für Jugendliche, welche – zumeist aufgrund ihrer Kirchenzugehörigkeit und daraus resultierenden Handlungen – in Konflikt mit Staat und Kirche gerieten. So sind polizeiliche Verhöre von Mitgliedern der Jungen Gemeinde, polizeiliche Maßnahmen gegen Jugendliche wegen Tragens des Symbols der Friedensdekade von 1980 „Schwerter zu Pflugscharen“, die Verweigerung der Zulassung für eine Schülerin zur Erweiterten Oberschule auf Grund ihrer Nichtteilnahme am Wehrkundeunterricht, sowie der erpresserische Versuch des Ministeriums für Staatssicherheit zur Anwerbung eines 17-jährigen Lehrlings dokumentiert.
Weitere zahlreiche Korrespondenzen mit staatlichen Institutionen aus den Jahren 1984 bis 1989 beinhalten vorrangig Fragen des Umweltschutzes und der Reformierung der Wirtschaft.
Die kleine Fotosammlung dokumentiert eine Werkstatt der Offenen Arbeit Rudolstadt im April 1983.
Till Böttcher, Jahrgang 1970, ist eines der jüngsten Mitglieder der 1986 im Gemeindehaus der Zionskirchgemeinde Berlin gegründeten Umweltbibliothek (UB) und hier auch aktiv am Druck des Samisdat „Umweltblätter“ beteiligt. Bei der Hausdurchsuchung der UB durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im November 1987 wird Böttcher 17-jährig wegen illegalen Zeitungsdruckes verhaftet. Die Aktion des MfS löst DDR-weite Solidaritätsbekundungen mit den Inhaftierten aus und macht die Umweltbibliothek weithin bekannt. Aus Böttgers Mitarbeit in der UB sind ein Zustandsdruck und Ausgaben des Samisdat „Telegraph. Aktuelle Blätter der Umweltbibliothek“ (1989) überliefert. Ein mit handschriftlichen Notizen versehener Korrekturabzug des im Jahre 1992 von UB-Gründungsmitglied Wolfgang Rüddenklau herausgegebenen Buches „Störenfried“ dokumentiert den Samisdatdruck der „Umweltblätter“.
Die Sammlung anarchistischer und libertärer Periodika und Flugblätter (1986 bis 1999) umfasst Ausgaben des anarchistischen Taschenkalenders „Schwarz-Roter Kain-Kalenda“ (BRD), polnischen Samisdat der anarchistischen Bewegung wie „AKCJA I“, „Revolta“, „Skowyt“, Flugblätter der Polish Anarchist Federation, Zeitungen wie die „direkte aktion“ und „Love and Rage“ (Spanien) sowie eine Sammlung von Zeitschriften und Informationsblättern der Hausbesetzerszene Berlins der frühen 1990er Jahre. Die Fotosammlung zeigt die Teilnahme von Anarchisten bei einer Demonstration in Warschau (Polen) im November 1989.
Aus der zweiten Hälfte der 1980er Jahre stammt die Kassettensammlung, meist Aufnahmen des Labels Hinterhofproduction (HP) Jena, die mit Bands wie Airtramp, Sperma Combo, Gefahrenzone, Ulrike am Nagel (U.A.N.), Die Fanatischen Frisöre und Stefan Krawczyk Hörbeispiele der unabhängigen Rock-, Liedermacher- und Punkmusikszene der DDR enthält. Mit der MCH Band (Mikolas Chadima Band) ist zudem ein Beispiel tschechischen Punkrocks überliefert.
Eine kleine Textilsammlung umfasst dagegen Objekte der alltäglichen Jugendkultur in der DDR: ein Hemd der Freien Deutschen Jugend (FDJ), eine Fahne der Jungpioniere (JP) und eine Fahne des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes der DDR (FDGB).
Im Herbst 1989 engagiert sich Böttcher in der Bürgerrechtsbewegung Berlin und ist an der Besetzung der Hauptzentrale des MfS beteiligt. In der Sammlung befinden sich Positionspapiere, Aufrufe, Erklärungen und Mitgliedslisten der neu gegründeten Gruppen, Initiativen und Parteien der Jahre 1989 und 1990 – vor allem des Neuen Forums.