Uwe Koch, 1950 in Jena geboren und 2013 in Magdeburg gestorben, ist maßgeblicher Wegbereiter der Offenen Jugendarbeit (OA) der Evangelischen (Ev.) Kirche in Jena und Saalfeld/Rudolstadt. Sein Nachlass umfasst vor allem Überlieferungen aus der kirchlichen Jugendarbeit und ist zugleich Beleg eindrucksvollen Friedensengagements in der DDR.
In unmittelbarer Reaktion auf die gewaltsame Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 erklärt Koch die Totalverweigerung des Wehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee (NVA) und wird daraufhin in der 11. Klasse vom Abitur relegiert. Ein Jahr später nimmt Koch – nach absolvierter Sonderreifeprüfung – ein Theologiestudium in Jena auf und bekommt die Leitung der Jungen Gemeinde Stadtmitte (JGM) in der Lutherstraße übertragen. Sogleich bemüht er sich um neue, offene Räume. Im April 1970 konstituiert sich die JGM im Hinterhaus der Johannisstraße 14 neu und öffnet sich bald nach dem Konzept der OA auch als Freiraum für konfessionslose Jugendliche. Von Anfang an verbindet Koch die Jugendarbeit mit Friedensarbeit und berät Waffen- und Kriegsdienstverweigerer. So bilden auch zahlreiche Ordner mit Materialien aus der kirchlichen Friedensarbeit in der DDR der 1970er und 1980er Jahre den Schwerpunkt seiner Sammlung. Darunter befinden sich kirchliche Periodika und Samisdat wie „Schalom“, „Aktuell“, „Wegzehrung“ und „Wendezeit“ des Friedenskreises der Ev. Samaritergemeinde Berlin (1984 bis 1988), „Ausblick“ der Magdeburger Arbeitskreise Ökologie und Frieden (1988), „frieda“ der Christlichen Friedenskonferenz Thüringen (1986), „Friedensnetz“ der Arbeitsgruppe Frieden der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburg (1985 bis 1989), „Friedensdienst“ des Ev. Diakoniewerks Berlin (1985) und „Plattform“ des Ev. Stadtjugendpfarramts Erfurt (1989). Weitere Materialsammlungen aus der Jugendarbeit befassen sich mit gesellschaftskritischen Themen wie dem Verhältnis von Kirche und Staat in der DDR, Jugend und Gewalt oder Faschismusforschung, aber auch literarische Texte des Arbeitskreises Literatur und Lyrik Jena sind enthalten.
Im Dezember 1976 erhält Koch seine erste Pfarrstelle in Rudolstadt und tritt auch hier von Beginn an für eine Öffnung der Kirchgemeinde ein. So initiiert Koch gemeinsam mit dem Braunsdorfer Pfarrer Walter Schilling die Großveranstaltungen der OA Saalfeld/Rudolstadt „JUNE ’78“, „JUNE ’79“ und „Jugend ’86“. Erhalten sind neben Arbeitsmaterialien und Notizen aus der Veranstaltungsorganisation auch Fotosammlungen von „Jugend 86“.
Um den Informationsfluss und die Vernetzung von Wehr- und Waffendienstverweigerern voranzutreiben, gründet Koch gemeinsam mit den Pfarrern Konrad Jahr und Martin Scriba im Jahr 1982 den Altendorfer Friedenskreis (AFK). Im November 1983 übernimmt der AFK die Organisation des Basisgruppentreffens Frieden Konkret II in Eisenach 1984. Kochs gesamte Unterlagen aus dessen Vorbereitung sowie seine AFK-Korrespondenz der Jahre 1982 bis 1987 sind in der Sammlung enthalten. Als konkretes Ergebnis von Frieden Konkret I gibt Koch von Januar 1984 bis Juni 1986 unter der fingierten Urheberschaft „Stadtjugendpfarramt Rudolstadt“ den „Friedensreader“ heraus, mit dem Ziel, durch ein regelmäßiges Erscheinen eine Art Handbuch der Friedensbewegung entstehen zu lassen. Die insgesamt dreizehn Samisdat-Ausgaben sind ebenso überliefert wie der Ordnungsstrafbescheid des Rates des Kreises Rudolstadt an Koch wegen unerlaubter Publikation und Vervielfältigung, DDR-weite Solidaritätsbekundungen, Spendenbelege, Protestschreiben und die betreffende Korrespondenz mit staatlichen Behörden sowie Vertretern der Thüringer Landeskirche. Weitere Belege aus Kochs Friedensengagement sind Notizen von Beratungsgesprächen mit Waffendienstverweigerern, Briefe von Bausoldaten, eine Gesetzestextsammlung (1961 bis 1990), die von Koch und Stephan Schack erarbeitete und vom Ev. Jungmännerwerk Thüringen für die Seelsorge an Wehrpflichtigen herausgegebene Mitarbeiterhilfe „Du sollst nicht töten aber wie dann leben. Erfahrungen und Überlegungen junger Christen zur Situation des Bausoldatenseins“ (1985) sowie Unterlagen aus Kochs Mitarbeit als Mitglied der Regierungskommission zur Ausarbeitung des Zivildienstgesetzes in der DDR 1990.
1989 wird Koch als Landesjugendpfarrer der Kirchenprovinz Sachsen nach Magdeburg berufen. Hier beteiligt er sich ab September in der „Beratergruppe Dom“ an der Organisation der montäglichen Friedensgebete für gesellschaftliche Veränderung und führt im Oktober 1989 die erste Magdeburger Demonstration an. Daher sind aus der Zeit der Friedlichen Revolution 1989/90 Statuten, Forderungen, Mitgliederlisten und Gründungsaufrufe fast aller neu gegründeten Parteien und Initiativen aus Magdeburg und Rudolstadt vorhanden.
In den 1990er Jahren betreibt Koch verschiedene Forschungsprojekte zur Aufarbeitung der Geschichte der waffenlosen Baueinheiten der NVA, deren umfassende Ergebnisse sich ebenfalls in der Sammlung wiederfinden. So verfasst Koch beispielsweise 1993 im Auftrag der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur die Expertise „Die Baueinheiten der Nationalen Volksarmee der DDR“.
Koßmann, Andreas [Langer](Privatsammlung)
Laufzeit: 1980 - 1990
Bezugsorte: Weimar
Umfang: 1 lfm.
Signatur: P-KA
Andreas Koßmann (geb. Langer), Jahrgang 1959, ist in den 1980er Jahren aktives Mitglied der Jungen Gemeinde Weimar. Ein Notizbuch und Korrespondenz aus den Jahren 1984 bis 1985 dokumentieren Problem- und Themenfelder der dort ansässigen Offenen Arbeit (OA) und des Montagskreises. Notizen zu Regionaltreffen der OA Thüringen sind hier ebenfalls enthalten. Des Weiteren sind aus den 1980er Jahren Gedichtsammlungen, eine kleine Sammlung Theaterstücke – u.a. zum Thema Friedensbewegung -, ein Redeskript zum Podiumsgespräch „Frieden – Wehrdienst“, ein Notizblock von Andreas Koßmann mit Aufzeichnungen aus der Haftanstalt sowie persönliche Dokumente überliefert.
1990 beteiligt sich Koßmann an den gesellschaftspolitischen Prozessen. So belegt eine Liste des Neuen Forums Weimar Koßmanns Mitgliedschaft, ein Interviewfragebogen des WDR thematisiert seine Beteiligung am Demokratischen Aufbruch Weimar und ein Notizblock Koßmanns dokumentiert die Arbeit des Unabhängigen Untersuchungsausschusses des Bürgerkomitees Weimar in Bezug auf die Sicherung und Auswertung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Aufklärung von Verbindung des MfS zur SED, den Betrieben, den Gerichten und der rechten Szene oder etwa Aufdeckung von Amtsmissbrauch und Korruption in der DDR.
Von Januar bis April 1990 ist Koßmann Redakteur der in diesem Zeitraum erscheinenden unabhängigen Weimarer Wochenzeitung „Zeitung“ – später „ZET“. Im Bestand sind alle Ausgaben der „ZET“, aber auch Ausgaben der von November 1989 bis Juni 1990 erscheinenden unabhängigen Lokalzeitung „Weimarer Wochenblatt“ und die ersten Ausgaben der ab Februar 1990 erscheinenden überregionalen Berliner Wochenzeitung „Das Blatt“ enthalten.