Die Pfarrerin Renate Ellmenreich (geb. Groß), Jahrgang 1950, beginnt nach ihrem Theologiestudium in Berlin 1974 ihre Tätigkeit als Katechetin in Jena-Neulobeda. Hier lernt sie Matthias Domaschk kennen, der 1981 in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Gera ums Leben kommt. So befinden sich in der Sammlung Porträtfotos von Domaschk als Kind, Jugendlicher, Familienvater und Wehrdienstleistender aus den 1960er und 1970er Jahren.
Zum Zeitpunkt des Todes von Domaschk ist Ellmenreich bereits in die Bundesrepublik ausgereist (1980) und als Pfarrerin in Frankfurt/Main tätig. Von hier aus setzt sie sich in Korrespondenzen mit ihrem Berliner Anwalt, dem Thüringer Landesbischof und Amnesty International (AI) für die Aufklärung der Todesumstände von Domaschk sowie für die Freilassung und Unterstützung der in den Jahren 1982 bis 1984 verhafteten Jenaer Freunde sowie Mitglieder der Jenaer Friedensgemeinschaft Michael Blumhagen, Roland Jahn, Manfred Hildebrandt, Thomas Kretschmer, Petra Falkenberg und andere ein. Aus der regen Korrespondenz mit diversen Sektionen von AI ergibt sich ein deutliches Bild der Vorgehensweise von AI in der Unterstützung von Inhaftierten in der DDR. Eine Zeitungsartikelsammlung dokumentiert zudem die mediale Wirkung der Jenaer Ereignisse sowie die Ausbürgerung von Künstlern aus der DDR in den Jahren 1981 bis 1983 in die Bundesrepublik.
Darüber hinaus engagiert sich Ellmenreich seit den 1980er Jahren in Friedens- und Menschenrechtsgruppen der Bundesrepublik. So sind Arbeitshefter mit Zeugnissen ihres Friedensengagements im Rahmen ihrer Tätigkeit als Pfarrerin in Frankfurt/Main bzw. der Evangelischen Kirche Hessen und in bundesdeutschen Friedensgruppen (1981 bis 1983) überliefert. Ein Arbeitshefter zu Menschenrechtsfragen in Polen und der Sowjetunion (1982 bis 1984) umfasst etwa einen Aufruf der Initiative Solidarität mit Solidarnosc zur Unterstützung politischer Gefangener aus Posznan (1982) und Mitteilungsblätter der Deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (1987 bis 1993), unter anderem zu Lech Walesa und zum Archipel Gulag. Daneben ist ein Bericht Ellmenreichs zu einer Nicaragua-Reise aus dem Jahr 1985 überliefert.
Vereinzelt im Bestand enthalten sind Samisdat und Erklärungen von Gruppen der unabhängigen Umwelt- und Friedensbewegung in der DDR aus den Jahren 1988 bis 1989. Hierzu gehört unter anderem die „Pechblende“ von Michael Beleites, die 1988 vom Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg herausgegeben wird oder ein Aufruf der Initiative Frieden und Menschenrechte.
In den 1990er Jahren bemüht sich Ellmenreich erneut um die Aufklärung der Todesumstände von Domaschk. So befindet sich im Bestand das gerichtsmedizinisches Gutachten von 1991 im Todesermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Gera und eine Korrespondenz zur Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens aus dem Jahr 1995. In den Jahren 1993 bis 1999 arbeitet Ellmenreich als Rechercheurin für die Stasi-Unterlagenbehörde in Gera. Ihrer Erfahrungen und Erkenntnisse beschreibt sie 1994 in einem Artikel „Frauenbild des MfS – Mein Einblick“ im Informationsblatt des Unabhängigen Frauenverbandes Berlin „Weibblick“. Die Jahrgänge 1993 bis 1998 dieser Zeitschrift befinden sich in der Sammlung, ebenso ein Ordner aus der Tätigkeit im Arbeitskreis Wahrhaftigkeit in der Kirche, Gera 1992 bis 1998.