Künstler für Andere e.V.
Im Herbst 1986 entwickelt ein Jenaer Freundeskreis die Idee für eine selbstständige und vor allem von staatlichen Kampagnen unabhängige Form der Solidaritätsarbeit für die 2/3-Welt. Beteiligt sind zu diesem Zeitpunkt Martina Arndt, Petra Grund, Thomas Grund, Carsten Hahn, Andreas Ilse und Henning Pietzsch. Zunächst als „Podium für Andere“ bezeichnet, entsteht die Veranstaltungsreihe „Künstler für Andere“ in Jena.
Alle Beteiligten sind seit vielen Jahren in subkulturelle Netzwerke wie die Offene Arbeit in der Jungen Gemeinde Stadtmitte eingebunden und/oder in oppositionellen Friedensgruppen engagiert. So bestehen auch Kontakte zu bereits existierenden 2/3-Welt-Gruppen, etwa zu Gerold Hildebrand aus dem Vorbereitungskreis der Berliner Veranstaltungsreihe „Künstler in Aktion gegen den Hunger in Afrika“. Inspiriert von deren Veranstaltungskonzept mit Lesungen, Konzerten, Theater und Ausstellungen organisiert die Jenaer Gruppe von 1987 bis 1990 insgesamt 24 Veranstaltungen im Rahmen der Reihe „Künstler für Andere“.
Die Erlöse der Abende werden mehrheitlich für Hilfsprojekte des ökumenischen INKOTA-Netzwerkes gespendet, welches in der DDR die Arbeit der "Aktionsgemeinschaft für die Hungernden" fortsetzt. Als Gruppe „Künstler für Andere“ wird der Vorbereitungskreis schnell selbst Teil des DDR-weiten Netzwerkes der Opposition und unterstützt auch alternative Projekte solidarischen Handelns in der DDR. So fließt beispielsweise der Erlös der Veranstaltung am 5. Juni 1987 in die Umwelt-Bibliothek Berlin. Bereits ab der zweiten Veranstaltung erhält die Reihe den Untertitel: „Projekte, Alternativen, Solidarität“.
Gleichzeitig schafft die Gruppe über ihre Veranstaltungen einen Artikulationsraum für KünstlerInnen in der SED-Diktatur, die, zumindest in Teilen, Ende der 1980er Jahre keine Möglichkeit mehr hatten, außerhalb des kirchlichen Raumes ihre Arbeiten vorzustellen. Damit entsteht in Jena ein weiterer temporärer Ort der „Zweiten Öffentlichkeit“. Dies beginnt am 6. Februar 1987 mit Uwe Kolbe und Rüdiger Rosenthal, setzt sich fort mit Autoren wie Lothar Trolle, Lutz Rathenow, Auftritten von Stephan Krawczyk, Matthias Vernaldi, Matthias „Baader“ Holst, Peter „Schappy“ Wawerzinek und endet unter veränderten Bedingungen 1990 mit Jürgen Fuchs.
Im September 1990 wird der Verein Künstler für Andere e.V. gegründet, der die Förderung solidarischen Handelns durch kulturelle Veranstaltungen fortsetzen soll. Hier werden jedoch sehr schnell Grenzen deutlich. Künstler:innen sind in wesentlich stärkerem Maße auf ihre Einnahmen angewiesen, dazu kommen veränderte gesellschaftliche Problemlagen und ein gravierender Publikumsschwund. Das Konzept kann nicht in der bisherigen Form fortgeführt werden.
1991 wird der Verein Künstler für Andere e.V. Träger des Matthias-Domaschk-Archiv in Jena, dem heutigen Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ (ThürAZ).